Schlüssel zum Verständnis

Schlüsselerlebnisse – sie erschließen uns neue, vielleicht komplizierte Situationen und anschließend sieht man klarer. Im Altarraum der Keekener Kirche kann das Bild einer Heiligen so eine Schlüsselfunktion übernehmen. Der Altarraum ist reich geschmückt, mit vielen Bildern und Figuren. Leicht kann man den Überblick verlieren, weil sie einen von allen Seiten umgeben: der Altar, das Ambo, das Chorgestühl, der Hochalter (Altarretabel), die Wandteppiche und dann noch die Deckengemälde; alles überstrahlt von den Kirchenfenstern mit seinen figürlichen Darstellungen aus dem Leben Mariens.
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Altarraumgewölbe der Keekener Kirche

Heiligendarstellungen im Gewölbe

Im Gewölbe sind neben Christus vier Heilige dargestellt. Die Gottesmutter finden wir dort. Nichts Ungewöhnliches; auch der hl. Apostel Johannes ist nicht unbekannt. Eher stellt man sich die Frage, wie es der hl. Thomas von Aquin geschafft hat, als Deckengemälde in der Keekener Kirche verewigt zu werden. Aber er ist immerhin als großer Theologe bekannt. Zur „Schlüsselheiligen“ kann die vierte Darstellung werden: „S. Juliana Virg.“ Steht über ihrem Bild: hl. Jungfrau Juliana. In ihren Händen hält sie eine Monstranz mit dem Allerheiligsten. Da kann es einem wie Schuppen von den Augen fallen: der ganze Altarraum ist eine Be- und Umschreibung der hl. Eucharistie – bis in die kleinsten Einzelheiten hinein.
Gottesmutter_Maria

Gottesmutter Maria

Johannes

Hl. Johannes (Apostel)

 

 

 

 

 

Hl. Juliana

Hl. Juliana

Hl. Thomas von Aquin

Hl. Thomas von Aquin

 

 

 

 

 

Auf Anregung der hl. Juliana von Lüttich (1192-1258, Gedenktag am 5. April) wurde das Fronleichnamsfest eingeführt, der hl. Thomas von Aquin (1225-1274, Gedenktag am 28. Januar) hat die wunderbaren Fronleichnamsgesänge und –hymnen gedichtet, der hl. Apostel Johannes (+ um 101, Fest am 27. Dezember), dargestellt mit Kelch und einer Schlange, legt mit der großen Brotrede Jesu, von der er in seinem Evangelium berichtet, die Grundlage für die Lehre der Eucharistie. Diese Heiligen halten uns mit Ihrer Eucharistieverehrung den Himmel offen.

Der Hochaltar

Hochaltar
Das beherrschende Kunstwerk des Altarraums ist der Hochaltar, das Altarretabel (1887 von van der Gendt aus `s-Hertogenbosch. In seiner Mitte ist die Kreuzigung Jesu dargestellt – und deutet so das Geschehen, das seither auf den Altären der Welt immer wieder gefeiert wird: die unblutige Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Christi.

AltarflügelDie Altarflügel wurden von Friedrich Stummel gemalt, auf den auch die Ausmalung der Kevelaerer Basilika zurückgeht. Das linke Tafelbild zeigt die Begegnung zwischen Abraham und Melchisedech: Der Priesterkönig Melchisedek von Salem – dem späteren Jerusalem – trat Abraham am Abend nach der Schlacht mit Brot und Wein entgegen und segnete ihn (Gen 14). In der Erzählung können wir einen frühen Hinweis auf die Eucharistie sehen, zumal später im Psalm 110 und dann im Hebräerbrief (7,1-10) von einem „Priester nach der Ordnung Melchisechs“ die Rede ist. Ein Hinweis auf Christus, der sich selbst als Priester für die Menschheit opfert.

Rechtes_Tafelbild

Das rechte Tafelbild zeigt Mose, wie er auf Weisung Gottes an einem Stab eine eherne Schlange befestigt: mitten in der Wüste murrte das Volk, das von Mose aus der Knechtschaft Ägyptens herausgeführt wurde, weil es so viele Entbehrungen zu ertragen hatte. Deswegen schickte Gott Giftschlangen unter das Volk. Reumütig baten sie dann Mose um Hilfe, der dann auf Weisung Gottes diese eherne Schlange an einem Pfahl befestigte. Wer nun von einer Giftschlange gebissen wurde, sollte auf die eherne Schlange schauen – und er wurde gerettet, geheilt. Jesus selbst deutet diese Erzählung: „Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat.“ (Joh 3,14). Als kleine „Lesehilfe“ für den Bildbetrachter hat Fr. Stummel den Pfahl, an dem die eherne Schlange befestigt ist, als Kreuz gemalt, um so unmissverständlich den Zusammenhang Mose – Christus – Rettung herzustellen.

Die Wandteppiche

WandteppicheAuch die beiden Wandteppiche im Altarraum rechts und links des Hochaltars sind voller eucharistischer Bezüge: ohne weitere Erläuterung kommt wohl der linke Wandteppich aus: es stellt das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern dar. Da noch alle zwölf Apostel zu sehen sind, kann man sich auf die Suche nach Judas Iskariot machen, der Jesus in der Nacht verraten wird: man erkennt ihn an seinem grünen Gewand – mit einem Geldbeutel in der linken Hand. Unter dem Bild die Worte Jesu, die er über das Brot gesprochen hat: „Nehmet hin und esset. Dies ist mein Leib.“ Links und rechts des Bildes dann noch Ähren und Weintrauben, ebenfalls Hinweise auf die Eucharistie.
Rechter_WandteppichSchwieriger wird die Deutung des rechten Wandteppichs. Wenn es dort keine „Bildunterschrift“ gäbe, wäre man auf Vermutungen angewiesen. Aber durch diese Hilfe ist es eindeutig: es handelt sich um die Darstellung der Brotrede (Joh 6, 22-59), die Jesus in der Synagoge von Kafarnaum gehalten hatte und die in der Aussage Jesu gipfelt: “Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, (ich gebe es hin für das Leben der Welt … Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm).“ (Joh 6,51.56)

Das Chorgestühl

Abraham

Abraham

Auf den Wangen des Chorgestühls finden sich vier alttestamentliche Gestalten: auf der südlichen Kniebank Abraham vor einem Feuer, aus dem ein kleiner Widerkopf herausschaut. Damit spielt diese Figur auf das Opfer Isaaks an, das dann doch von Gott verhindert wurde. Die Tradition sieht darin einen Hinweis auf den Opfertod Jesu, nur dass Gott Isaak geschont, seinen eigenen Sohn aber hingegeben hat.

Gideon

Gideon

Auf der hinteren Kniebankwange erkennt man den atl. Richter Gideon, der ein Lammfell in Händen hält. Die Darstellung geht zurück auf das Buch Richter 6, 36-40: Gideon erbat sich von Gott ein Zeichen, bevor er die Israeliten vom Joch der Midianiter befreien sollte. Er legte frisch geschorene Wolle (Vlies) auf die Tenne und bat darum, dass der Morgentau nur auf die Wolle falle, der Boden aber trocken bleibe. So geschah es: Am Morgen konnte er die Wolle ausdrücken – und das Wasser füllte eine ganze Schale. Für die nächste Nacht erbat er wiederum ein Zeichen; dieses Mal sollte der ganze Boden durch den Tauf nass werden – nur das Vlies nicht. Und genau so geschah es.

Simson

Simson

Auf der Wange der Kniebank des nördlichen Chorgestühls sieht man Simson, wie er mit einem Löwen kämpft (Ri 14,6) und ihn mit bloßen Händen zerriss. Später fand er im Körper des getöteten Löwen einen Bienenschwarm und Honig. Auch in diesem Bild sieht die Tradition einen Hinweis auf Jesu Opfertod: Der Löwe ist ein Bild für die Macht des Todes, ihm ist der Herr begegnet. Er ist als Sieger aus dem Kampf mit dem Tod hervorgegangenen und dessen „süße Frucht“ ist nun das, was uns Nahrung und Freude bringt (Honig).

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König David

Auf der hinteren Kniebankwange ist König David mit Harfe zu erkennen. Schon diese Darstellung weist auf den Gottesdienst hin, gilt David doch als Dichter vieler Psalmen, die auch in Gottesdiensten Verwendung finden. Ein besonderes Ereignis aus dem Leben Davids stellt wiederum eine Verbindung zu Christus und seinem Erlösertod dar: Gott will König David und das Volk wegen ihrer Sünden bestrafen (vgl. 2 Sam 24, 10-25). David wählt aus drei möglichen Strafen eine dreitägige Pest, da er nicht Menschen, sondern Gott in die Hände fallen wollte. Als David dann aber die vielen Toten sah, bot er sich und sein Haus (dazu gehört – Generationen später – auch Jesus) an, stellvertretend das Leid zu ertragen. Gott weist ihm einen Weg, wie die Strafe abgewendet werden kann: durch ein Brandopfer an dem Ort, wo später Salomo den Tempel errichtete. „Der Herr aber ließ sich … erweichen, und die Plage hörte auf in Israel.“ (2 Sam 24,25)

Konsolen im Altarraum

Nicht nur Kunstwerke im Altarraum, auch das Mauerwerk selbst ist geziert mit Hinweisen auf das Kreuzesopfer Jesu. Die Konsolen, so heißen die „unteren Schlusssteine“, auf denen die Verstrebungen (Runddienste) zum Gewölbe hin aufsetzen, sind mit den Leidenswerkzeugen Jesu (arma Christi) verziert: Hahn und Leiter, Geißeln und Geißelsäule, Dornenkrone, Nägel und Speer.
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Hahn und Leiter

Geißel

Geißel

Dornenkrone, Lanze, Nägel...

Dornenkrone, Lanze, Nägel…

Einen alttestamentlichen Bezug hat wieder die erste Konsole an der Nordwand: im linken Teil erkennt man die Bundeslade, im rechten Teil ein Messer/Schwert; vielleicht ein Hinweis auf den Schwerthieb, mit dem Petrus einem Knechten im Ölgarten ein Ohr abhieb. Oder das Messer, mit dem das Paschalamm geschlachtet werden soll? Na ja, und die beiden anderen Gegenstände, so richtig deutlich sind sie nicht. Vielleicht lässt sich ein Stab und ein (kostbares) Gefäß „erahnen“: Vor der Bundeslade wurde ein Gefäß mit Manna (vgl. Ex 16,33) und der grüne Stab Aarons aufbewahrt (vgl. Num 17,25). Manna, die wunderbare Wüstenspeise, kennt man als Sinnbild für die Eucharistie, Jesus selbst spielt darauf in seiner Brotrede an: „Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel.“ (Joh 6,31). Der grüne Stab Aarons ist dagegen wohl unbekannter: Von allen zwölf Stämmen wurde jeweils ein Stab vor die Bundeslade gelegt – nur der Stab Aarons wurde grün und trieb Blätter, Zeichen, dass Aaron als Hoherpriester erwählt war. Gleichzeitig sollte dieser Stab vor der Bundeslade bleiben: „Mach mir auf diese Weise ihrem Murren ein Ende, dann werden sie nicht sterben“ (Num 17, 25). Damit wird auch der Stab Aarons zum Sinnbild für das Kreuz Christi, das zum Baum des Lebens wurde und den Tod besiegte.
Konsole_Nordwand

Konsole an Nordwand Bundeslade, Aaronstab und Mannagefäß

Und noch eine Besonderheit hat diese Konsole an der Nordwand: deutlich erkennbar verbindet ein Gürtel das rechte und linke Schild. Gürtel treten an ganz prominenter Stelle im Alten Testament auf: Gott gibt Mose den Auftrag, dass man gegürtet, mit Schuhen an den Füßen und einem Stab in der Hand das Paschalamm vor dem Aufbruch aus Ägypten essen soll. Das Blut des geschlachteten Lammes soll man an den Türsturz streichen – es ist das Zeichen zum Schutz vor dem Tod, der in dieser Nacht die Einwohner Ägyptens heimsuchen wird (vgl. Ex 12, 11-13). Im Christentum wird Christus selbst zum Paschalamm, das geopfert wurde, damit die, die „in ihm sind“, vom Tode verschont bleiben.

Der Tabernakel

Unsichtbar, da verborgen hinter der Tabernakeltüre, befindet sich noch ein kostbarer, zweigeteilter Vorhang. „Da riss der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei“ – so heißt es im Markusevangelium beim Tode Jesu. Dieser Vorhang hatte bisher das Allerheiligste vor den Blicken der Menschen verborgen gehalten – durch den Tod Jesu war das Allerheiligste für die Menschen zugänglich geworden – Gott schenkt sich ihnen immer wieder neu in der Eucharistie, unter der Gestalt des Brotes.

Der Zelebrationsaltar

ZelebrationsaltarAlle erwähnten und beschriebenen Kunstwerke sind etwa einhundert Jahre alt. In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erhielt die Kirche einen neuen Zelebrationsaltar. Auch auf diesem sind eucharistische Motive zu finden: ein Weinstock („Ich bin der Weinstock, ihr seid die Rebzweige“ Joh 15,5) und eine Darstellung, die leider fast von der Altarplatte verdeckt ist: Christus als Keltertreter. Ein mittelalterliches Motiv, bei dem Christus bei der Arbeit in einer Weinkelter dargestellt ist. In der Tradition wird in dem ausgepressten Wein das Blut Christi gesehen und in der ausgepressten Traube Christus selbst, der sein Leben hingab.
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Christus in der Kelter Darstellung auf der Vorderseite des Zelebrationsaltares

Fotos: Gerd Franken Text: Andreas Poorten
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